Dienstag, 4. August 2020
1977
Am 7. Mai 1977 fand der ESC zum sechsten Mal im Vereinigten Königreich statt, diesmal im Londoner Stadtteil Wembley. Geplant war er schon fünf Wochen früher, musste aber wegen eines Streiks der Kameraleute verschoben werden.

In den letzten Jahren nahmen immer mehr Länder mit (zumindest zum Teil) englischsprachigen Liedern teil, dies hatte zur Folge, dass auch immer mehr Beiträge kommerziell erfolgreich waren. Dies freute sicher die Künstler und die Plattenfirmen, widersprach aber den Grundsätzen, wegen derer der Wettbewerb ursprünglich ins Leben gerufen wurde. Die EBU reagierte und hob die Sprachfreiheit wieder auf, die Titel mussten also wieder in einer der Landessprachen gesungen werden. Allerdings wurde diese Regeländerung relativ kurzfristig bekannt gegeben, zu diesem Zeitpunkt hatten Deutschland und Belgien bereits englischsprachige Lieder festgelegt und waren beide nicht bereit, dies zu ändern; für diese Länder gab es übergangsweise eine Ausnahmeregelung.

Deutschland hatte in den drei letzten Jahren das Auswahlverfahren mehrfach geändert, die Ergebnisse waren immer schlecht, so beschloss der Hessische Rundfunk im diesem Jahr, den Beitrag direkt zu nominieren. Als Interpreten wählte man das Trio Silver Convention, das in den vergangenen Jahren mit Liedern wie „Fly, Robin, Fly“ weltweit erfolgreich war. Das Lied „Telegram“ schnitt mit Platz 8 deutlich besser ab als seine Vorgänger, konnte den hohen Erwartungen aber nicht entprechen.



Wie im Vorjahr nahmen 18 Länder teil, es gab aber zwei Veränderungen: Schweden meldete sich zurück, dafür fehlte Jugoslawien. Ursprünglich wollte auch Tunesien teilnehmen und bekam auch schon eine Startnummer zugelost, zog seine Meldung dann aber zurück.

Das Vereinigte Königreich veranstaltete, wie auch schon im Vorjahr, eine Vorentscheidung mit mehreren Teilnehmern, Sieger wurde das Lied „Rock Bottom“, gesungen von Lynsey de Paul und Mike Moran, die auch die Autoren waren. Lynsey de Paul war schon 1972 mit „Sugar me“ international erfolgreich, Mike Moran war überwiegend als Autor und Produzent tätig. Wieder einmal war Platz 2 das Ergebnis.



Nach dem Klagelied im Vorjahr kamen fröhliche Klänge aus Griechenland: Vier Einzelkünstler namens Pascalis, Marianna, Robert und Bessy taten sich zusammen und erklärten in „Mathema solfege“ eine bestimmte Gesangstechnik. Den Jurys gefiel es, mit Platz 5 erzielte das Land sein bis dahin bestes Ergebnis.



Österreich wählte ein sehr ungewöhnliches Lied: In „Boom boom boomerang“ kritisierten die Schmetterlinge einerseits die unsinnigen Texte einiger Beiträge (Ding-a-dong, Boom bang-a-bang und La, la, la lassen grüßen…) und andererseits die immer stärker werdende Kommerzialisierung. Der Vortrag glich einem Kabarett-Auftritt, die männlichen Gruppenmitglieder trugen Masken am Hinterkopf. Nur wenige Jurys konnten sich hierfür erwärmen, der vorletzte Platz war das Ergebnis.



Die Hearts of Soul, die 1970 die Niederlande vertreten hatten, suchten sich eine männliche Verstärkung und traten als Dream Express für Belgien an. Spaniens Interpret Micky hatte zwei Jahre zuvor mit „Bye bye Fraulein“ bereits einen internationalen Hit, und die im Schweizer Beitrag besungene „Swiss Lady“ war kein menschliches Wesen, sondern ein Alphorn, das auch auf der Bühne zu sehen war. Die Interpreten, die Pepe Lienhard Band, begleiteten Udo Jürgens auf vielen seiner Tourneen.



Monaco landete mit „Une petite française“, gesungen von Michèle Torr, auf Platz 4. Die deutsche Version „Die schönsten Blumen blühen auf dem Land“ wurde von mehreren Interpreten aufgenommen.



Die Wertungen wurden wieder in Startreihenfolge abgegeben, und diesmal gab es gleich mehrere Differenzen, die später korrigiert wurden; gleich bei neun Ländern, also der Hälfte der Starter, änderte sich so die Punktzahl, allerdings immer nur um einen oder zwei Punkte, sodass es keine Änderung in der Reihenfolge gab. Der Siegertitel war somit unangefochten: Frankreich gewann zum fünften Mal den ESC, den Beitrag „L‘oiseau et l‘enfant“ sang Marie Myriam.

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