Dienstag, 11. August 2020
1990
Jugoslawien richtete den ESC am 5. Mai 1990 in Zagreb, heute Hauptstadt Kroatiens, aus. Die politischen Umbrüche in Europa, aber auch ganz konkret in Jugoslawien, waren in vollem Gange, und nie haben politische Ereignisse so viel Einfluss auf die ESC-Beiträge gehabt. Für Jugoslawien war es die letzte Möglichkeit, sich international als Einheit darzustellen, schon bald darauf deklarierten einige Teilrepubliken, darunter auch Kroatien, ihre Unabhängigkeit.

Die deutsche Vorentscheidung fand wieder mit 10 Teilnehmern statt, unter den Interpreten waren Jürgen Drews (1976 Mitglied der Les Humphries Singers) und Isabell Varell. Den Siegertitel „Frei zu leben“ schrieben Ralph Siegel und Michael Kunze, er wurde von Chris Kempers und Daniel Kovac gesungen. Sie war überwiegend als Studiosängerin tätig und weitgehend unbekannt, er war als Moderator bei einem privaten TV-Sender recht populär und hatte einen gewissen Bezug zum Gastgeberland, denn er war gebürtiger Jugoslawe, genau gesagt Slowene. Das Duo, das nur für diesen Wettbewerb zusammengefunden hatte, belegte dort Platz 9.



Wenige Monate vor dem ESC 1990 war die Berliner Mauer gefallen, und mit etwas Phantasie konnte man sowohl den deutschen als auch den österreichischen Beitrag darauf beziehen, denn dieser hieß „Keine Mauern mehr“, und auch Finnlands „Fri“ (übrigens auf Schwedisch gesungen) passt dazu. Deutlicher wurde da Norwegens Ketil Stokkan (ja genau, er hatte sein Land schon 1986 vertreten), er besang das „Brandenburger Tor“.



Der Abend begann mit einem kleinen Skandal, der nichts mit der politischen Lage zu tun hatte: Der Dirigent des spanischen Beitrags „Bandido“, Eduardo Leiva, hatte Probleme, das Rhythmusplayback und das Orchester zu koordinieren, worauf die Interpretinnen, die Schwestern Azúcar Moreno, zunächst wütend die Bühne wieder verließen. Sie kamen zurück, der Beitrag wurde dann reibungslos dargeboten, und als Dank gab es 12 Punkte aus Deutschland.



Mehr als 20 Jahre nach seinem bis dahin letzten Beitrag meldete sich Serge Gainsbourg als Autor zurück, erstmals vertrat sein Lied sein Heimatland Frankreich. Die aus Guadeloupe stammende Sängerin Joëlle Ursull brachte karibisches Flair in die Veranstaltung und besang in „White and black blues“ ihre Erlebnisse mit der Rassendiskriminierung. Den Jurys gefiel es, Platz 2 war das Ergebnis.



Für die Niederlande sang das Schwesterpaar Maywood, das in den 1980er Jahren Hits wie „Late at night“ hatte, und Irland besang in „Somewhere in Europe“ die Schönheiten des Kontinents, ohne auf die politische Situation einzugehen.

Das war aber beim Siegertitel der Fall, allerdings ging „Insieme: 1992“ nicht auf den aktuellen Wegfall der Grenzen, sondern auf das Schengener Abkommen, das zwei Jahre später in Kraft treten sollte, ein. Der Sänger und Autor, Toto Cutugno, war durch Lieder wie „L‘Italiano“ schon international bekannt. Es war der zweite Sieg Italiens. Die Chorsänger waren übrigens Mitglieder der Gruppe Pepel en Kri, die 1975 Jugoslawien vertreten hatte.

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