Montag, 17. August 2020
1999
Der ESC 1999 wurde am 29. Mai zum zweiten Mal in Israel ausgetragen; Veranstaltungsort war wieder Jerusalem. Erstmals führten drei Personen durch den Abend, darunter Dafna Dekel, die ihr Land 1992 vertreten hatte. Wegen der Relegationsregeln mussten Finnland, Griechenland, Nordmazedonien, die Schweiz und die Slowakei pausieren, dafür waren Bosnien-Herzegowina, Dänemark, Island und Österreich wieder dabei. Litauen kam erstmals seit 1994 zurück, dafür fehlte Russland.

Die Modernisierung des Wettbewerbs schritt sichtbar voran: Es gab kein Orchester mehr, alle Beiträge wurden von einem Halbplayback begleitet; weiterhin galt die Regel, dass alle menschlichen Stimmen live dargeboten werden mussten. Zudem wurde die Sprachfreiheit wieder eingeführt, die schon 1973 bis 1976 galt, das heißt, dass jedes Land ohne Einschränkung entscheiden konnte, in welcher Sprache es seinen Beitrag präsentiert.

Bei der deutschen Vorentscheidung waren u.a. Wind, die deutschen Vertreter von 1985, 1987 und 1992, Jeanette Biedermann und Patrick Lindner dabei. Wieder trat die Situation auf, die schon aus dem Jahr 1976 bekannt war: Der Siegertitel, „Hör den Kindern einfach zu“, gesungen von Corinna May, wurde nach wenigen Tagen wegen Vorveröffentlichung disqualifiziert, und wieder rückte das zweitplatzierte Lied nach. Dieses zeigte, wie die neue Sprachregelung ausgelegt werden konnte, denn „Reise nach Jerusalem – Kudüs‘e seyahat“ wurde auf Deutsch, Türkisch und Englisch gesungen, bei der ESC-Aufführung kamen am Schluss noch ein paar Zeilen auf Hebräisch hinzu. Die Gruppe Sürpriz, die das Lied sang, wurde extra für den Wettbewerb zusammengestellt, sie bestand aus überwiegend in Deutschland lebenden türkischstämmigen Künstlern. Beim ESC belegte der Beitrag Platz 3, kommerziell erzeugte er aber kein Interesse und tauchte in den Verkaufslisten nicht auf.



Für Kroatien sang Doris Dragović, die 1986 bereits Jugoslawien vertreten hatte, das Lied „Marija Magdalena“ und wurde ein Opfer der neuen Regeln, was die Begleitung betrifft: Auf ihrem Playback waren männliche Stimmen zu hören, auf der Bühne waren aber nur Frauen. Ihr 4. Platz wurde ihr nicht aberkannt, für die Berechnung der durchschnittlichen Punktzahl für die Qualifikation in den Folgejahre wurde aber ein bestimmter Prozentsatz gestrichen. Kroatien hatte ein genügend großes Polster, um diese Einschränkung problemlos zu überstehen.



Platz 2 war das beste Ergebnis, das Island bis dahin erzielt hatte. Selma sang „All out of luck“



Für die Gastgeber wünschte die Gruppe Eden zweisprachig „Happy birthday“und belegte Platz 5.



Das Internet verbreitete sich immer mehr, und so konnten sich auch die Fans des ESC international zusammenschließen und organisieren, zudem war es jetzt möglich geworden, alle Beiträge schon im Vorfeld zu hören, zu analysieren und Wetten darauf abzuschließen. So wurde der Beitrag Zyperns hoch gehandelt, auch ein Sieg wurde nicht ausgeschlossen. Die Realität sah anders aus, „Tha‘ne erotas“, gesungen von Marlain Angelidou, landete auf dem 22. und damit vorletzten Platz, hierbei spielten vielleicht auch die fehlenden Punkte aus Griechenland eine Rolle. In den Folgejahren zeigte sich oft, dass eingefleischte Kenner des ESC, die die Lieder im Vorfeld viele Male konsumieren, einen anderen Geschmack als das breite TV-Publikum, das die Beiträge beim Wettbewerb erstmals hört, haben.



Dass die neue Sprachfreiheit nicht zwangsläufig bedeutete, dass die Lieder ganz oder teilweise auf Englisch gesungen wurden, bewies Bosnien-Herzegowina: „Putnici“ wurde von Dino & Béatrice auf Bosnisch und auf Französisch vorgetragen. Sie belegten Platz 7.



Für die Punktevergabe hatten alle Sprecher je ein Glas Rotwein vor sich, um mit den Gastgebern und einem ‚la‘chaim‘ (also ‚zum Wohl‘) anzustoßen – lediglich der Spanier musste zugeben, dass er schon ausgetrunken hatte. Sieger wurde zum vierten Mal Schweden; Charlotte Nilsson sang „Take me to your heaven“.

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