Donnerstag, 13. August 2020
1993
Die EBU hatte gehofft, den ESC 1993 nach dem Ausscheiden Jugoslawiens wieder auf 22 Teilnehmer begrenzen zu können; hierbei hat sie allerdings nicht bedacht, dass sowohl die Nachfolgestaaten Jugoslawiens als auch die Länder der früheren osteuropäischen Intervision jetzt Mitglieder der EBU und damit teilnahmeberechtigt beim ESC waren. Sieben von ihnen meldeten 1993 hierfür Interesse an – das war zu viel für die Kapazität des Wettbewerbs. Als einmalige Übergangslösung wurde für die neuen Aspiranten eine Vorauswahl durchgeführt; diese fand am 3. April im slowenischen Ljubljana statt. Slowenien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Estland, die Slowakei, Ungarn und Rumänien stellten je ein Lied vor, das von jeweils einem vor Ort anwesenden Juror bewertet wurde. Die drei bestplatzierten Länder erhielten die Teilnahmeberechtigung am ESC; es handelte sich um die drei Ex-Jugoslawen Slowenien, Bosnien-Herzegowina und Kroatien; sie eingeschlossen hatte der ESC 1993 25 Beiträge.

Dieser fand am 15. Mai zum vierten Mal in Irland statt, und zwar erstmals in der Kleinstadt Millstreet. Der Grund hierfür war die teilweise Finanzierung durch einen Sponsor, der dafür den Austragungsort bestimmte.

Der MDR verzichtete auf eine Vorentscheidung und wählte den deutschen Beitrag intern aus. Als Interpreten entschied man sich für die Münchener Freiheit, die erfolgreichste deutschsprachige Gruppe der 1980er („Ohne dich (schlaf ich heut‘ Nacht nicht ein“)), sie sang das Lied „Viel zu weit“. Beim internationalen Wettbewerb erreichten sie Platz 18.



Die Schweiz setzte, wie schon 1988, auf eine Sängerin aus Kanada und war wieder erfolgreich: Annie Cotton belegte mit „Moi, tout simplement“ Platz 3.



Sonia hatte ab 1989 insbesondere in ihrer Zusammenarbeit mit dem Produzententeam Stock/ Aitken/ Waterman einige Erfolge wie „You‘ll never stop me loving you“. Beim ESC belegte sie für das Vereinigte Königreich mit „Better the devil you know“ Platz 2.



Für Frankreich sang Patrick Fiori über „Mama Corsica“; das Lied enthielt einige Zeilen auf Korsisch. Er belegte Platz 4.



Für die Niederlande sang Ruth Jacott das Lied „Vrede“. Zu den Chorsängern gehörte ihr damaliger Mann Humphrey Campbell, der das Land im Jahr zuvor als Solist vertreten hatte.



Zu zweifelhaftem Ruhm kam die Interpretin Barbara Dex aus Belgien; sie belegte mit „Iemand als jij“ den 25. und damit letzten Platz. Für Aufsehen sorgte aber weniger ihr Lied als ihre Kleidung; einer meiner Gäste nannte sie damals „Leberwurstkeid mit Gummistiefeln“, was sicher bösartig, aber nicht unzutreffend war. Ein paar Jahre später begannen niederländische Journalisten, regelmäßig den inoffiziellen (und nicht ganz ernst gemeinten) ‚Barbara-Dex-Award' für das geschmackloseste Bühnenkostüm zu vergeben.



In Spaniens „Hombres“ kam erstmals in der Geschichte des ESC das Wort ‚Sex‘ vor, für Österreich sang, wie schon im Vorjahr, Tony Wegas, und gegen den kroatischen Beitrag „Don‘t ever cry“ gab es Einwände, weil der Refrain komplett auf Englisch gesungen wurde – dieser wurde aber abgewiesen, weil er nur einige Worte umfasste, die mehrfach wiederholt wurden.

Das Nachbarland Bosnien-Herzegowina befand sich gerade im Krieg, was die Delegation im Beitrag „Sja bol svijeta“ („Der Schmerz der ganzen Welt“) verarbeitete. Der vorgesehene eigene Dirigent konnte das Land nicht verlassen, deshalb wurde das Orchester beim von der Gruppe Fazla gesungenen Lied vom Iren Noel Kelehan geleitet.



Auch bei den Wertungen machten sich die Kriegswirren in Bosnien-Herzegowina bemerkbar, die Telefonverbindung war sehr schlecht; dies veranlasste die EBU, die Punkte vom Folgejahr an per Satellit übermitteln zu lassen. Zudem kam die Telefonleitung nach Malta zuerst nicht zustande, die Punktvergabe wurde ans Ende der Wertungen verlegt. Danach stand fest, dass Irland zum fünften Mal insgesamt und zum zweiten Mal hintereinander gewonnen hatte. Den Siegerbeitrag „In your eyes“ sang Niamh Kavanagh.

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