Montag, 3. August 2020
1976
Am 3. April 1976 fand der ESC zum dritten Mal in den Niederlanden statt, Austragungsort war diesmal Den Haag. Erstmals moderierte eine ehemalige Teilnehmerin, nämlich Corry Brokken, die ihr Land dreimal von 1956 bis 1958 vertreten hatte, 1957 gewann sie sogar.

In Deutschland fand wieder eine Vorentscheidung statt, die Entscheidung überließ man aber nicht mehr einer Jury, sondern dem Fernsehpublikum, das per Postkarte abstimmen konnte. Die kandidierenden Lieder wurden in einer Fernsehsendung vorgestellt, und zwar, anders als beim ESC, ohne Publikum und im Vollplayback. Zu den Interpreten gehörten zwei ehemalige internationale Teilnehmer, nämlich Ireen Sheer (Luxemburg 1974) und Piera Martell (Schweiz 1974). Sie trafen u.a. auf Maggie Mae, Nina & Mike, Lena Valaitis, Bruce Low und Tina York. Tony Marshall sang den Siegertitel "Der Star", der aber wenige Tage später wegen Vorveröffentlichung disqualifiziert werden musste. Stattdessen fuhr das zweitplatzierte "Sing Sang Song", interpretiert von den Les Humphries Singers, zum ESC; zur Gruppe gehörten Jürgen Drews, der im selben Jahr als Solist mit "Ein Bett im Kornfeld" seinen Durchbruch hatte, und John Lawton, der später als Sänger der Gruppe Uriah Heep ("Free me") Karriere machte; Les Humphries selbst war der Dirigent. Ihre großen Erfolge hatte die Gruppe in der ersten Hälfte der 1970er; sie durfte aufgrund der Spielregeln beim ESC nur zu sechst auftreten, normalerweise war sie mehr als doppelt so groß. Es war das erste Mal, dass Ralph Siegel als Komponist für Deutschland antrat; Platz 15 war das erneut enttäuschende Ergebnis.



Ein weiteres komplett deutsches Team war für Luxemburg dabei: Jürgen Marcus sang das von Jack White geschriebene "Chansons pour ceux qui s'aiment", begleitet wurde er von den Rosy-Singers. In Deutschland war das Lied als "Der Tingler singt für euch alle" erfolgreich, beim ESC reichte es nur für Platz 14.



Nach dreimaliger Abwesenheit kehrte Österreich zum ESC zurück. Nachdem das Land 1972 mit einem eher unkonventionellen Lied gut abgeschnitten hatte, verließ es den Wettbewerb mit der Begründung, dieser sei zu kommerziell ausgerichtet. 1976 kehrten sie mit einem kommerziell sehr erfolgreichen Lied zurück - versteht das jemand? Ich zumindest nicht. Wieder konnte sich Österreich gut platzieren, "My little world", gesungen von Waterloo & Robinson, erreichte Rang 5.



Die Schweiz schnitt mit Platz 4 sogar noch besser ab; wie schon 1971 sangen Peter, Sue & Marc, diesmal auf Englisch: "Djambo Djambo".



Auch der gemeinsame Nachbar Liechtenstein wollte erstmals antreten, sogar ein Lied war schon ausgesucht: "Little Cowboy" von Biggi Bachmann sollte es sein. Das Fernsehen Liechtensteins gehörte allerdings nicht der EBU an, sodass eine Teilnahme nicht möglich war. Schweden fehlte, nur ein Jahr, nachdem es selbst Ausrichter war, ebenfalls, zu stark waren dort die nationalen Proteste, die sich schon im Vorjahr geäußert hatten. Malta pausierte wieder einmal, diesmal für längere Zeit, und der Zypern-Konflikt schwelte weiter: Griechenland meldete sich zurück, folglich pausierte die Türkei. Man muss kein Griechisch sprechen, um zu verstehen, dass es sich bei "Panagia mou, panagia mou" um ein Klagelied handelt. Die Sängerin Mariza Koch betrauerte, dass Orangenfelder und Olivenbäume durch Napalm zerstört wurden, und dass nur noch Ruinen übrig seien; folglich bat sie die Mutter Gottes um Hilfe. Im Originaltext nennt sie keinen geographischen Bezug, dieser wird aber spätestens bei der englischen Version klar: Diese heißt "The death of Cyprus". Die Türkei protestierte folgerichtig gegen die Teilnahme des Liedes, allerdings erfolglos. Griechenland erreichte Platz 13.



Zwei rhythmische französischsprachige Lieder schnitten sehr gut ab: Frankreich erreichte mit "1, 2, 3", gesungen von Catherine Ferry, Platz 2, gleich dahinter finden wir "Toi, la musique et moi", für Monaco interpretiert von Mary Cristy.





Für Italien sang das später auch international bekannte Ehepaar Al Bano & Romina Power, und für die Niederlande trat Sandra Reemer, 1972 Teil des Duos Sandra & Andres, als Solistin an.

Die Wertungen wurden wieder in Startreihenfolge durchgegeben und verliefen fast ohne Probleme; lediglich die französische Jury vergaß, ihre 4 Punkte für Jugoslawien zu nennen, sodass das Endergebnis ganz am Ende der Tabelle im Nachhinein korrigiert werden musste: Nicht, wie aus der Anzeigetafel ersichtlich, Jugoslawien, sondern Norwegen belegte den letzten Platz. An der Spitze gab es aber keine Veränderung: das Vereinigte Königreich war mit "Save your kisses for me", gesungen (und getanzt) von Brotherhood of Man, klarer Sieger. Bis heute ist es mit ca. sechs Millionen verkaufter Tonträger das umsatzstärkste ESC-Lied aller Zeiten; für das Land war es nach vielen guten Ergebnissen der dritte Sieg.

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