Donnerstag, 30. Juli 2020
1972
Der Vorjahressieger Monaco konnte (und wollte) den ESC 1972 nicht ausrichten, und wieder einmal sprang das Vereinigte Königreich ein. Austragungsort war allerdings diesmal Edinburgh.

In Deutschland stieg dank der guten Ergebnisse und der internationalen Hits die Popularität des Wettbewerbs immer mehr, und so gelang es dem Hessischen Rundfunk und dem Sender Freies Berlin, gemeinsam eine Vorentscheidung mit 12 Teilnehmern zu veranstalten. Zwei der Beiträge, „Geh die Straße“ von Cindy & Bert und „Gute Nacht, Freunde“ von Inga & Wolf, wurden große Erfolge, zu den weiteren Interpreten gehörten Su Kramer, Marion Maerz, Olivia Molina und der österreichische ESC-Vertreter von 1967, Peter Horton. Unter den Autoren waren Reinhard Mey, Klaus Doldinger und erstmals Ralph Siegel. In einer knappen Entscheidung wurde „Nur die Liebe lässt uns leben“, gesungen von Mary Roos, als deutscher Eurovisionsbeitrag ausgewählt. Beim ESC zeigte die Sängerin, wie der Kommentator der BBC feststellte, einen „selbstbewussten und entspannten“ Auftritt, woran sicher auch der Dirigent Paul Kuhn beteiligt war, und Deutschland belegte zum dritten Mal in Folge Platz 3.



Das Vereinigte Königreich wurde von den New Seekers vertreten. Diese waren durch Lieder wie „Never ending song of love“ international bekannt und galten als Favoriten; mit „Beg, steal or borrow“ belegten sie Platz 2. Sie waren die erste „echte“ Band, die beim ESC auftrat, und bemerkten während der Proben Schwierigkeiten, die Klangkörper auf der Bühne mit dem Orchester zu koordinieren und zu synchronisieren. Sie baten daher, ein Halbplayback einsetzen zu dürfen, auf dem die Instrumente, die auf der Bühne gespielt wurden, bereits vorhanden waren, was ihnen aber verwehrt wurde.



Eine andere Gruppe vertrat Österreich. Die Milestones präsentierten ein außergewöhnliches Lied, bei dem ein esoterisch wirkender Text und Musik, die an die Flower-Power-Zeit erinnerte, kombiniert wurden. „Falter im Wind“ gefiel den Juroren, es erreichte Platz 5.



Sechs der 18 Länder wurden von Duos vertreten, was sich meist als keine gute Idee erwies: drei von ihnen belegten die letzten drei Plätze. Eine Ausnahme bildeten Sandra & Andres aus den Niederlanden: Mit „Als het om de liefde gaat“ erreichten sie den vierten Platz, und in der englischen und der deutschen Version „What do I do“ bzw. „Was soll ich tun“ gelang ihnen in mehreren Ländern auch ein kommerzieller Erfolg.



Irland wurde durch ein Lied in gälischer Sprache vertreten, und für Jugoslawien sang Tereza, die 1966 bereits für Monaco teilgenommen hatte. Schweden setzte, wie im Vorjahr, auf die Family Four.

Das Wertungssystem glich dem von 1971. Vielleicht dachte ein Mitglied der Delegation Maltas, dass es schlimmer als im Vorjahr nicht kommen könne. Wenn dem so war, irrte er oder sie: Malta belegte, wie bei seinem Debut, wieder den letzten Platz, diesmal aber mit noch weniger Punkten. Der Sieg ging zum dritten Mal an Luxemburg, und zum zweiten Mal wurde das Land von Vicky Leandros vertreten. „Après toi“ wurde von Vickys Vater Leo Leandros (unter dem Pseudonym Mario Pamas) und Klaus Munro geschrieben, der somit als erster Deutscher den Wettbewerb gewann. Das Team hatte das Lied zuerst dem deutschen Fernsehen angeboten, allerdings unter der Bedingung, dass es direkt nominiert würde. Da die ARD bereits mit den Planungen für die Vorentscheidung begonnen hatte und auf diese auch nicht verzichten wollte, lehnte man dies ab, und so sang Vicky wieder für Luxemburg. „Après toi“ wurde einer der meistverkauften Tonträger des Jahres.

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